Aus der Beschreibung der verschiedenen Gottheiten lässt sich erkennen, welches Menschenbild die Personen hatten, die diese Götter erfunden haben.
I.
Hinsichtlich der drei monotheistischen Religionen fällt auf, dass die Gottheiten sich den Menschen gegenüber autoritär zeigen: Sie fordern Gehorsam, Unterwerfung und nehmen in Anspruch, die einzigen zu sein. Ihre Position versuchen sie nicht durch gute Argumente aufrecht zu erhalten, sondern mit Gewalt (Sintflut, Hölle etc.) bzw. mit Zuckerbrot und Peitsche. Das Verhältnis der Menschen zu ihrer Gottheit ist dasjenige von Sklaven zu ihrem Herren.
Es lässt sich daher schlussfolgern, dass die Erfinder dieser Religionen aus einer brutalen Gesellschaft stammten, in der Sklaverei nichts ungewöhnliches war.
II.
Setzt man insbesondere die christliche Religion in Kontrast zu den römischen Göttern, so fällt auf, dass im Zeitpunkt der Entstehung des Christentums die Juden eine kolonialisierte unfreie Bevölkerungsgruppe waren, aus der ggf. auch Sklaven rekrutiert wurden, während die Römer zum damaligen Zeitpunkt die unangefochtenen Herren der Welt waren. Das Christentum ordnete sich in dieses Herren-Sklaven-Weltbild ein.
Die römischen Götter dagegen kennen eine solch einseitige Unterwerfung der Menschen nicht, auch sind sie nicht eifersüchtig gegenüber anderen Göttern, sondern leben in fröhlicher Gemeinschaft der Mächtigen – von einzelnen Zwistigkeiten unter den Göttern einmal abgesehen. Allerdings sind die römischen Götter ebenso wie ihre Paralle – die griechischen Götter – jeweils in der Anfangsphase der aufstrebenden Länder Griechenland und Rom bereits vorhanden gewesen. Den griechischen und römischen Göttern ist zu eigen, dass sie es dulden und ertragen können, dass ebenso starke Persönlichkeiten neben ihnen existieren, sie haben keine diktatorische Alleinherrschermentalität: Sie greifen in die Welt der Menschen ein, im großen und ganzen leben sie aber vor sich hin und lassen es sich gut gehen. Auch beruhen die Eingriffe nach dem Verständnis der Römer in aller Regel auf Leistung und Gegenleistung – einem fairen Abtausch – nicht auf einseitigen Leistungen der Götter, die jede Eigenanstrengung überflüssig machen würde.
Bei Römern wie Griechen wurden Staatssysteme errichtet, in denen eine Herrscherklasse sich auf gleicher Ebene begegnete und im demokratischen Interessenausgleich ihre Angelegenheiten regelte: Zum Ziel des eigenen Wohlergehens. Es wurden keine Kriege aus religiösen Gründen oder aus ideologischen Gründen zur Verbreitung der Demokratie geführt, sondern vorrangig, um die eiene Position auf Dauer zu verbessern.
Auch wenn im Allgemeinen die griechische hellenistische Kultur als eine hedonistische gilt, war es im Ergebnis die römische Kultur ebenso, lediglich mit etwas drastischerer Kriegsführung.